Inspiration Wald

Wald im Nebel

„Wald tut gut“ – diese Aussage wird größtenteils Zustimmung unter den LesernInnen finden und so heißt auch der Titel des jüngst erschienenen Buches von Peter Wohlleben.

Viele haben schon erfahren, dass ein Waldspaziergang, eine Wanderung, die Stimmung hebt und wunderbar vom Alltag „abschalten“ und Kraft „tanken“ lässt.

Aber wie erklärt sich die heilsame Wirkung des Waldes genauer?

Zum Themenbereich „Wald“ wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von guten Büchern geschrieben, in die neueste wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen.

So wurde etwa in Japan 2012 ein eigener Forschungszweig die „Forest Medicine“ gegründet. Dieser erforscht, in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität und diversen Kliniken, die Unterstützung des Waldes bei Heilungsprozessen und in der gesundheitlichen Prävention. Professor Qing Li ist einer der führenden Wissenschaftler im Bereich der Waldmedizin. Der Professor hat unter anderem die Auswirkung der Waldatmosphäre auf Stress untersucht. Er konnte in Studien nachweisen, dass sich sowohl durch Waldspaziergänge, als auch durch passiven Aufenthalt im Wald die Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin bei den Versuchspersonen drastisch gesenkt haben.

Als besonders heilsam hat sich das Einatmen von Waldluft erwiesen. Aus den Blättern und Nadeln der Bäume, aus den Baumrinden, aus Büschen, Kräutern, Sträuchern, Farnen, Moosen sowie Pilzen strömen gasförmige, bioaktive Substanzen, sogenannte „Terpene“ (Clemens Arvey). Über diese Terpene kommunizieren die Pflanzen miteinander. Atmen wir sie ein, wirken sie heilkräftig und aktivierend auf unser Immunsystem. Beim Aufenthalt im Wald nimmt die Anzahl unserer natürlichen Abwehrzellen zu und unser parasympathisches System wird stimuliert.
Die Konzentration der Terpene in der Waldluft ist übrigens im Sommer und nach Regen oder bei Nebel am höchsten. Der Eindruck, dass ein Spaziergang im Wald, nach einem kräftigen Regenguss, besondere Frische vermittelt, bestätigt sich hiermit.

1982 prägte das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei den Begriff „Shinrin Yoku“. Heute ist Shinrin-Yoku ein Bestandteil der japanischen Gesundheitsvorsorge und eine anerkannte Methode.
Übersetzt heißt der Begriff „Einatmen der Wald-Atmosphäre“ oder „Waldbaden“. Das bedeutet mit allen Sinnen in den Wald einzutauchen. Die heilsamen Kräfte des Waldes werden genutzt um Geist und Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Seit dem Corona – Shutdown habe auch ich mich vermehrt, achtsam im Wald bewegt, was mir zu einer besonderen Freude geworden ist. Der Wald ist für mich ein Raum in dem ich so sein darf, wie ich bin, ein Raum der Offenheit und Faszination.


Mit Wonne lasse ich mich von Blättern, Ästen, Halmen und Moosen berühren. Erfasse spürend wie ich meine Schritte lautlos in den weichen, nachgiebigen Waldboden setze. Gehe in empfindsamer Verbindung mit Sonne, Wind, Nebel, Regen und Schnee. Und ganz automatisch greife auch ich nach Rinden, weichen Blättern, Baumfrüchten, Steinen und dergleichen. Ich sammle Tasterlebnisse, ein Reigen von „berührt werden“ und „berühren“ findet statt.
Meine Augen laben sich am vielen Grün. Grellfarbige Tupfer faszinieren mich, die von Blüten, Pilzen oder Flechten kommen und meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich bewundere staunend die verschiedensten Blatt-, Blüten- und Baumformationen.
Immer wieder bleibe ich stehen, schließe meine Augen und lausche einfach in den Wald hinein. Meine Ohren empfangen unterschiedlichste Vogelstimmen, das Zirpen von Grillen, das Summen von Insekten, das Knacksen, Quietschen, Ächzen und Stöhnen von Ästen und Holzwerk.
Auch die harzigen, holzigen, modrigen, süßen, würzigen Waldgerüche erfreuen und bereichern mich. Der Duft von frisch geschlägertem Holz ist einer meiner Lieblingsgerüche.
Wenn sich die Gelegenheit bietet nasche ich Walderdbeeren, Himbeeren, Brombeeren und lasse mir ein paar junge Fichtenwipfel schmecken.

„Waldbaden“ darunter verstehe ich das sinnliche Eintauchen in die Waldatmosphäre in der Art, wie ich es beschrieben habe. Sinneserfahrungen geben uns das Gefühl lebendig zu sein, sie nähren die Lebensfreude und machen uns fit für die Anforderungen des Alltags. Waldbaden ist ein wirksames Gegenmittel gegen den Druck der modernen Welt.

Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre durch bestimmte Umstände bettlägerig. Vielleicht fällt mir das ein, weil ich unter anderem in einem Altersheim arbeite. Dann würde es mich beglücken, wenn mir jemand eine Audioaufnahme von Waldgeräuschen vorspielen würde. Denn all die anderen sinnlichen Erinnerungen an Walderlebnisse, wären für mich dann auch wieder lebendig und abrufbar.

Unmittelbare Bewusstseinserfahrungen im Wald und in der Natur können uns zudem „etwas sagen“. In manch sorgenvollem Moment habe ich Zwiesprache mit den Bäumen gehalten und ihnen mein Leid geklagt. Und sie, die Uralten, spendeten mir Trost in ihrer stillen, zeitlosen Anwesenheit. Haben meine Sorgen relativiert, denn sie haben schon viel mehr erlebt und gesehen, als ich hilfloses Menschenwesen.
Oft nehme ich von meinen Streifzügen kleine Fundgegenstände mit nach Hause. Vogelfedern, Herzsteine, Wurzeln, die aussehen wie…
Diese Objekte sind mir symbolische Zeichen, die ich oft intuitiv, mit aktuellen Lebensthemen in Verbindung bringe.
Das Interpretieren von Natur lässt uns Sinn erfahren. Und es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit Sinn zu erfahren und der Möglichkeit glücklich und zufrieden zu leben.

So ein Ausflug in den Wald sei jedem empfohlen, der vom Alltag weg kommen will um die Lebensfreude zu wecken und das Gefühl der Verbundenheit und des „Angenommen seins“ stärken möchte. Der Mensch ist Teil der Natur und steht in enger Wechselwirkung mit ihr.
Der Wald wirkt heilend auf Körper und Psyche. Das bestätigt auch eine relativ neue Wissenschaft die Psycho- Neuro- Immunologie.

Um wirklich eintauchen zu können in all die sinnlichen Wonnen braucht es Muße. Das ist unbegrenzte, unverzweckte „Jetzt-Zeit“. Muße ist die Hingabe an den einen Moment, der von Augenblick zu Augenblick jeweils neu entsteht. Meditierende verstehen mich, wenn ich die Muße als „Ankommen im SEIN“ bezeichne.
Kinder sind Meister im „Sich verlieren“ und im „Versunken sein“ in einer Sache, meist dem Spiel.
Muße ist Selbst- und Weltvergessenheit. Ich meine Muße ist der eigentliche Luxus unseres modernen Lebens, ermöglicht sie uns doch qualitativ hochwertige Zeit zu erleben. Zeit, die nicht an ein Ziel oder einen Zweck gebunden ist.

Obgleich ich mich im Wald geborgen fühle, hat ein bestimmtes Wissen um die enge Verbundenheit aller dort beheimateten Lebewesen meinen Blick und mein Bewusstsein noch weiter geschärft. So wusste ich nicht, dass es erwiesen ist, dass die Bäume miteinander kommunizieren und interagieren. Darüber berichtet ausführlich der Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben. Seitdem ich das Buch „Das geheime Leben der Bäume“ gelesen habe, erfasst mein offener Blick mehr als zuvor. Im Moment beobachte ich besonders Baumverbände und Baumgruppen in ihrem Zusammenleben.

Ich selbst darf mich als freundlich, willkommener Teil dieses wunderbaren Ökosystems fühlen. Im Wald kann ich mich ganz öffnen und mich anvertrauen, muss mich nicht schützen.
Anders in Städten wo ich viele Eindrücke und Einflüsse permanent automatisch und auch bewusst wegfiltere, um mich nicht zu überfordern. Das macht müde und kostet viel Kraft.

Aus all diesen Gründen … Wald tut gut und inspiriert!

BUCHEMPFEHLUNGEN

Karin Greiner & Martin Kiem
„Wald tut gut“ und andere
https://www.pflanzenlust.de/tag/martin-kiem/

Clemens Arvey
Der Biophilia Effekt“ und andere
https://www.clemensarvay.com/

Karlheinz Geißler & Jonas Geißler
„Time is honey“ – Vom klugen Umgang mit der Zeit

Peter Wohlleben
Viele interessante Bücher über den Wald
https://www.peter-wohlleben.de/

Vielleicht hattest du auch schon besondere Walderlebnisse. Es würde mich freuen, wenn du sie in einem Kommentar mitteilst!